Siurell

Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber, als ich neu auf die Insel kam, fand ich sie einfach nur hässlich und grässlich. Die Begeisterung für diese Tonfigürchen konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen! Wovon ich rede? Na, von den Siurells, den typisch mallorquinischen Tonfiguren, die man theoretisch in jedem Inselhaushalt findet. Auch auf den Märkten und in sämtlichen Souvenir-Shops sind diese handgemachten Kunstwerke reichlich vertreten. Woher die außergewöhnlichen Pfeifen stammen, das weiß leider keiner so genau. Die einen behaupten, dass diese Ziergegenstände direkt auf Mallorca erfunden und hergestellt wurden. Die anderen wiederum schwören darauf, dass diese Schmuckstücke vor vielen hundert Jahren aus Kreta oder Sardinien auf die Insel gebracht wurden und die Mallorquiner anschließend anfingen, diese Formkunst nachzuahmen. Wie mysteriös auch immer die Geschichte oder die Herkunft dieser Tonstücke sein mag, Fakt ist, dass heutzutage die Siurells sich einer großen Beliebtheit erfreuen, nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch bei den Touristen.

Die Bedeutung und der Brauch dieser mallorquinischen Objekte sind auch so unergründlich wie deren Ursprung. Mal heißt es, dass die Figürchen zum Flirten benutzt wurden. Sprich, wenn ein junger Mann sich eine holde Maid auserkoren hat, so brachte er ihr ein Siurell. Wenn die Auserwählte das Geschenk annahm und hineinpustete, dann konnte sich der Jüngling an die Eroberung des Weibes machen. Wenn sie es allerdings fallen ließ und sich umdrehte, dann war das ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass der Möchtegern-Eroberer lieber das Weite suchen sollte. Dann gibt es wiederum diese These, dass die Siurells auf Mallorca vor Jahrhunderten eine wichtige Rolle spielten: Ihr Pfeifton sollte die zerstörerischen Winde der Insel bezwingen. Diese Theorie inspirierte den britischen Schriftsteller Robert Graves, der in seinem Werk „The White Goddess“ den verschiedenen Siurells griechische Gottheiten zuordnete. Auch der Maler und Bildhauer Joan Mirò war ein begeisterter und wohl der prominenteste Sammler der mallorquinischen Tonpfeifen.

Heute gibt es kaum jemanden mehr, der diese prachtvolle Insel verlässt, ohne mindestens ein Siurell in seinem Koffer zu haben. Sogar ich habe nach vielen Jahren großen Gefallen an diesen weißen, einzigartigen, handgefertigten Unikaten gefunden. Den ersten Siurell hat mir mein Mann geschenkt, als wir anfingen miteinander auszugehen. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit diesem lächerlichen Ding, also dem Siurell, nicht meinem Mann, machen sollte und habe es in die letzte Ecke meiner Wohnung verbannt. Inzwischen besitze ich mehrere von diesen Zierunikaten und erfreue mich jeden Tag an deren liebenswürdigem Anblick. Zum Glück wird es immer mehr zum Trend, diese mallorquinische Handwerkskunst auch als Memorial an Familienfesten wie Geburtstagen, Hochzeiten, Kommunionen etc. an die anwesenden Gäste zu verteilen. Von Jahr zu Jahr wird das Angebot der Tonwerke immer größer und vielfältiger! Was inzwischen aus dieser dekorativen Tonmasse machbar ist, das können Sie, meine lieben Leser, jedes Jahr im März auf der „Fira del Fang“ in Marratxi sehen. Der Besuch dieser Ton- und Keramikmesse wird Ihnen ganz gewiss mindestens ein Lächeln ins Gesicht zaubern und ich bin fest davon überzeugt, dass Sie mit mindestens einem Siurell wieder nach Hause gehen werden.

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